Deutschland – Ein Wintermärchen
Zusammenfassung zu “Deutschland – Ein Wintermärchen”
Heinrich Heines „Deutschland – Ein Wintermärchen“ ist ein Gedichtzyklus aus siebenundzwanzig Kapiteln und mehr als fünfhundert Strophen. Der Zyklus fällt in den Bereich der satirischen Betrachtung, ist aber auch mit ernstem Unterton versehen. Heine machte damals nach dreizehn Jahren Exil zum ersten Mal wieder die Reise von Paris nach Hamburg, um seine Mutter zu besuchen, und kam von dieser enttäuscht und verwirrt zurück. Seine Eindrücke verarbeitete er in Versen, so dass dabei dieser Epos entstand.
Zu seinem „Wintermärchen“ gibt es einen anderen Zyklus, der sich „Atta Troll – Ein Sommernachtstraum“ nennt. Beide stehen einander gegenüber und sind an Shakespeare angelehnt.
Hier kehrt Heine also in Gedichtzeilen aus dem dreizehnjährigen Exil zurück nach Deutschland und ist von Vorfreude beseelt. Sein Herz schlägt aufgeregt und er wartet gespannt auf das, was kommen mag. Doch schon an der Grenze wird er unsanft aus seiner Freude herauskatapultiert, da sein Gepäck durchwühlt und beschnüffelt wird. Bei der Ankunft in Aachen ist er von dem immer noch gleichen Anblick preußischer Soldaten angewidert, macht sich über ihr Aussehen, ihr pedantisches Verhalten lustig. Was als Vorfreude begann entpuppt sich immer mehr als Enttäuschung.
Er kommt nach Köln und findet statt Fortschritte nur die beständige Rückschau in die Vergangenheit, die dem Kölner Dom gewidmet wird. Am Rhein ist er vom deutschen Geschwätz gelangweilt, vergleicht die Deutschen mit den lachenden und tanzenden Franzosen und behauptet, sie würden nur noch Bier trinken und alternde Philosophen lesen. Mit einem schweigenden Begleiter durchwandert er Köln, Mühlheim und Hagen, wobei er dort zumindest das Essen wiedererkennt, sich dennoch nicht scheut, darüber zu lästern. Er schlendert am Hermanns-Denkmal vorbei, spendet Geld für dessen Fertigstellung, durchstreift den Teutoburger Wald, hat dort eine Panne und entsinnt sich alter Geschichten seiner Amme über Barbarossa, der ihm im Traum als seniler Greis erscheint und dem er die Zersetzung Deutschlands vorwirft. Beim Erwachen tut es ihm leid, so dass er den Kaiser still um Verzeihung bittet und zum Wiederaufleben des Heiligen Römischen Reiches.
Doch in Minden spürt Heine erneut seine Enttäuschung aufwallen, fühlt sich als Gefangener, schläft in schlechten Betten und isst fades Essen. Er besucht das Geburtshaus seines Großvaters, reist nach Hannover und gelangt endlich an sein Ziel in Hamburg. Dort wohnt er bei seiner alten Mutter, tut sich schwer damit, sich an seine Jugend zu erinnern und die Stadt in seinem Gedächtnis mit eigenen Kindheitserlebnissen zu vergleichen. Viele Gebäude sind einem schweren Brand zum Opfer gefallen. Auch die Bewohner der Stadt erscheinen ihm selbstgefällig und heuchlerisch.
Von der Schutzheiligen Harmonia erfleht Heine ein besseres Deutschland, die es ihm als den stinkenden Nachttopf Karl des Großen zeigt. Sie lenken sich beide mit Hingabe und Zärtlichkeit von dieser Schreckenszukunftsversion ab.
Der Epos endet dennoch mit Zuversicht, denn es ist die neue Generation, an die Heine appelliert und der er trotz Enttäuschungen neu zu gehende, bessere Schritte zutraut.
Wichtige Charaktere
- Die Mutter
- Campe (Verleger)
- Der stumme Begleiter
- Klopstock (beliebter Dichter)
- Hammonia (Schutzheilige)
- Dante (Dichter)
Interpretation
Zu seiner Zeit wurde das Gedicht „Deutschland – Ein Wintermärchen“ sehr schlecht aufgenommen und war umstritten. Auch später im Nationalsozialismus galt es als Vorwand gegen die Juden, denn Heine war jüdischer Herkunft. Es wäre ein einziges Gejammer, ein politischer Schimpf, gesungen von einem Schandmaul und Nestbeschmutzer. Dabei ist die Enttäuschung, die Heine im Gedichtzyklus anklingen lässt auch Sinnbild für seine Entwicklung, Loslösung und den Eindruck, den ein einst Verbannter bei der Rückkehr als Enttäuschung empfinden musste.
Er selbst spricht in seinem Vorwort von seinen Maßnahmen, gewisse Stellen abzumildern, er unternahm demnach eine Art Selbstzensur, in der Vorahnung, dass hier viel Staub aufgewirbelt werden würde. Sein Verleger Campe weigerte sich auch, den Gedichtband herauszugeben, so dass Heine den Druck selbst überwachen musste. Sein Epos war häufiger in Deutschland verboten.
Heine ist in seiner Sicht auf das einst so geliebte Land nicht nur zynisch, sondern auch witzig und vermengt die Wirklichkeit mit seinen Träumen und Begegnungen, darunter Verstorbene wie Dante oder Aristophanes, die er zu Rate zieht, oder Heilige wie Hammonia, die er als Muse und Vorsehung, die im Grunde seine Sicht der Dinge bestätigt, verführt. Dazu besticht Heine durch Bild und Sprache. Der Dichter zeigt sich nicht als böswilliger Kritiker, der das Land, das einst sein Land war, zerreißt und kritisiert, sondern weist vielmehr auf die Gefahren hin, die bestimmte Vorgänge in sich bergen, wie das Abstumpfen der Menschen, der Blick in die falsche Richtung, das Verharren im Vorgefassten. Er zeigt sich in seinem Witz und den Hinweisen immer auch als ein Mensch, der Deutschland liebt, seine Heimat schätzt, der darin den Ernst sucht, den er in Frankreich nicht findet und den er dennoch in Kleinigkeiten, Traditionen oder auch Bauwerken wiederzufinden hofft.
Hintergrund ist die Veränderung Deutschlands nach der Julirevolution, wo Freiheit gegen reaktionäres Streben eingetauscht wurde. Zensur, Verfolgung, Exilierung waren die Folge, Demokratie erschien unter diesen Voraussetzungen und der Entwicklung beinahe unmöglich.
Heine spielt mit den Ebenen zwischen Humor und Ernst, der ab und an auch bitter wird, wenn er sich traurig den Zeiten zuwendet, die er nicht wiederfinden kann, und dann umso höhnischer auflacht. Heute wirken Heines Zeilen wie eine Vorahnung des preußischen Untergangs.
Zitate
„Sie sang das alte Entsagungslied,
Das Eiapopeia vom Himmel,
Womit man einlullt, wenn es greint,
Das Volk, den großen Lümmel.
Ich kenne die Weise, ich kenne den Text,
Ich kenn auch die Herren Verfasser;
Ich weiß, sie tranken heimlich Wein
Und predigten öffentlich Wasser.“
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Persönliche Bewertung
Dieser Gedichtzyklus ist wunderbar leicht zu lesen und fließt nur so dahin.
Heinrich Heines Gedichtsprache ist in ihrem Klang immer noch eine wahre Freude für den Gedichtliebhaber, der sich nicht nur mit oberflächlicher Melodie begnügt, sondern vielmehr den klingenden Vers und tiefsinnigen Inhalt schätzt, der Gefallen an Heines Zeit und der feinen Ironie seiner Bilder hat. Der Leser treibt in diesen Zeilen dahin, lässt sich führen, spürt sich, trotz der Verse, fast lebendig an der Seite des Dichters, der ihn an seinen Freuden, seinem Humor und seinen Enttäuschungen teilhaben lässt.
Der Beginn des traurigen Novembers sagt bereits einiges über die Stimmung aus, die eine gewisse Melancholie nicht ausschließen lässt. Das Herz klopft, Heine spürt seinen einstigen Hafen und wird sofort auf den Boden der Tatsachen geschleudert. Hier wird auch der Leser reflektieren können, wie ihm die Wiederbegegnung mit einem geliebten Land erscheinen kann, was für ihn Heimat bedeutet. Auch ist er in der Lage, anhand Heines Textes die Zeit nachzuspüren, das Damals neu zu erfahren und die jeweilige Stimmung in den Versen auszumachen. Wenn Heine sich über die Deutschen lustig macht, so geschieht das nicht böswillig und man ist durchaus geneigt, sich umzusehen und die Menschen aufs Neue genauer zu betrachten, denn gerade der Verweis Heines durch sein Gedicht, sich die Dinge immer wieder neu zu betrachten und auf sich wirken zu lassen, statt in vorgefassten Meinungen und bekannten Mustern zu verharren, regt dazu an. Besonders schön ist das Sichtbarwerden der politischen Einstellung Heines, der gleichfalls dadurch als Mensch sichtbarer wird.
Die Vermischung von Wirklichkeit, Traum, Innenwelt, Gedanken und Wünschen, die Begegnungen mit Schatten, Menschen, Göttern, Dichtern, Toten und Schutzheiligen, die von Heine hervorragend umgesetzte Verknüpfung all dessen zu einer natürlich harmonischen Erzählung machen diesen Epos wertvoll und geschichtlich interessant. Erstmals 1844 veröffentlicht, liegt nun 2011 eine Ausgabe mit vortrefflichen Illustrationen des Satirikers Hans Traxler vor, der 1979 unter anderem das Satiremagazin „Titanic“ mitbegründete.
Fazit
Dieser Gedichtzyklus ist wunderbar leicht zu lesen und fließt nur so dahin. Die Verknappung auf den Vers, verhindert Ausschweifungen oder Langatmigkeit und bringt die Gedanken herrlich auf den Punkt.
- ISBN10
- 3150202361
- ISBN13
- 9783150202364
- Dt. Erstveröffentlichung
- 2011
- Taschenbuchausgabe
- 152 Seiten