Eine dunkle & grimmige Geschichte

Märchen sind etwas für kleine Kinder? Wer die Märchen der Gebrüder Grimm kennt, weiß, dass Märchen keineswegs so harmlos und rosarot sind wie ihr Ruf. Natürlich gibt es immer ein Happy End für die Hauptpersonen, der Prinz bekommt die schöne Prinzessin, die Hexe oder der Teufel werden besiegt. Doch der Weg dahin ist oft voller Gewalt, und nicht wenige Nebenfiguren müssen ihr Leben lassen. Adam Gidwitz hat aus den bekanntesten Märchen einige ausgewählt und sie zu einer einzigen Geschichte verknüpft – und das noch um einiges unheimlicher als im Original. Das macht er so geschickt, dass das Ergebnis tatsächlich spannender und ansprechender ist als die Originalgeschichten.

Eine Besonderheit ist auch sein schwarzer Humor sowie die Anmerkungen des Erzählers (in Fettdruck von der eigentlichen Erzählung abgehoben), die die Handlung nicht unterbrechen, sondern dazu beitragen die Spannung aufzubauen und die düstere Vorahnung, die den Leser während der Handlung beschleicht, zu verstärken. „Das KANN nicht gut ausgehen!“ ist der wichtigste Gedanke während der Geschichte, und jede Geschichte, die den beiden Hauptpersonen neue Grausamkeiten und Widrigkeiten beschert, scheint das zu bestätigen.

Dabei fehlt es den Märchen keineswegs an Tiefsinn, wer sich darauf einlässt, findet Gesellschaftskritik und ausreichend psychologische Gedankenanstöße: Kinder werden nicht ernstgenommen, obwohl sie mehr Erfahrung und eisernen Willen aufbieten können als alle Erwachsenen, der Gruppenzwang beeinflusst die Stimmung einer großen Gruppe und ein Charakter wird aus seinem Schmerz heraus ohne sein Wissen zu einem gefährlichen Drachen, der Menschen tötet und Zerstörung anrichtet (eine schöne Metapher für ein Phänomen, das es so nicht selten in der Realität zu erleben gibt). Diese und ähnliche gesellschaftliche Situationen mögen ihre Leser neben allem Lesespaß und allen wohligen Schauern, die „Eine dunkle & grimmige Geschichte“ beschert, zum Nachdenken anregen.