Der fliegende Dienstag

Eine Erzählung aus der Türkei

Autoren
Illustrator
Mustafa Delioglu
Übersetzer
Ebru Wittreck
Verlag
Baobab Books

Zusammenfassung zu “Der fliegende Dienstag”

Sibel lebt mit ihren Eltern und ihren beiden Geschwistern in einem Stadtteil von Istanbul. Sie hat eine ausgeprägte Fantasie und einen Traum: Sie möchte fliegen können! Am Vortag des Zuckerfestes bekommen die Kinder in der Türkei schulfrei und so dürfen Sibel und die Zwillinge ihre Mutter mit auf den riesigen Dienstagsmarkt begleiten, auf dem sie für den Feiertag einkaufen wollen. Obwohl ihre Mutter sie vor dem Verlassen des Hauses nochmals darauf hingewiesen hatte, wie wichtig es ist, im Falle des Verlorengehens an der letzten gemeinsamen Stelle zu warten, ist dies im Gewimmel der vielen Menschen, Geräusche und Gerüche, schnell vergessen. So kommt es, dass Sibel nach dem Kauf von Sesamkringeln ihre Mutter verliert. Zwar können die beiden noch ein Treffen beim Teppichhändler vereinbaren, doch nach ihrem Tagtraum, in dem sie plötzlich auf dem Galataturm steht und ihre Haare sich in sprechende Flügel verwandeln, muss sie mit der Menge weiterschwimmen und gelangt in einen Teil des Marktes, der ihr fremd ist. Dort, völlig verzweifelt und weinend, findet sie Hilfe bei einem Tomatenverkäufer, der sie an einen Elektriker verweist. Bei ihm, hoch oben auf dem Strommast, sucht sie nach ihrer Mutter, kann sie aber nicht finden. Dafür meint sie im Elektriker Hezarfen Ahmet Celebi zu erkennen, den osmanischen Luftfahrtpionier, der mit selbstgebauten Flügeln über den Bosporus geflogen sein soll. Am Ende ist es die Müllsammlerin, die sie bereits auf dem Hinweg zum Markt getroffen haben, die eine wichtige Rolle bei der Suche nach ihrer Familie und der Erfüllung ihres Traums spielt…

Wichtige Charaktere

  • Sibel
  • ihre beiden Geschwister Mehmet und Zora
  • ihre Mutter
  • eine alte Frau und ihre Enkelkinder Sinan und Dilek
  • ein Tomatenverkäufer
  • ein Elektriker
  • Hezarfen Ahmed Çelebi
  • Sibels Großmutter

Zitate

„Gibt es einen Zauberspruch, der so kostbar ist wie Geld? Diese Frage beschäftigte Sibel seit jenem Tag. Wenn sie die Antwort wüsste, würde sie sämtliche Bonbonpapiere damit beschriften. Aber was für ein Spruch könnte das nur sein?“

„‚Warum gehen nur Frauen zum Markt einkaufen?‘, fragte Mehmet plötzlich seine Mutter. Die Mädchen kicherten.
‚Aber du gehst doch auch‘, erwiderte die Mutter.
Da drehte Mehmet sich zu seinen Schwestern und sagte: ‚Was gibt es da zu lachen? Mama hat Recht.'“

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Persönliche Bewertung

Auf dem Istanbuler Wochenmarkt werden Traum und Wirklichkeit zu einer Geschichte vom Fliegen verwoben

5 von 5

In sieben Kapiteln und einem Nachwort nimmt Autorin Müge Iplikçi ihre Leser auf eine Reise über den Istanbuler Dienstagsmarkt mit und schöpft dabei aus ihren eigenen Kindheitserinnerungen. Die Handlung um das Mädchen Sibel und ihren Traum vom Fliegen wird anhand eines Tages vom Aufstehen bis zum erschöpften ins Bett gehen anschaulich und mit viel Sprachgefühl geschildert, welches von Ebru Wittreck gelungen ins Deutsche übersetzt wurde. Die Geschichte des Marktbesuchs durchläuft wie ein roter Faden der Wunsch Sibels zu fliegen, eine Botschaft im Bonbonpapier und ihre wiederholten Tagträumereien, die sie in einer anderer Realität aufwachen lassen. Durch die Vermischung von Traum und Marktkulisse ermöglicht Iplikçi ihren Lesern doppelten Lesespaß. Zum einen folgen sie dem Verlorengehen von Sibel auf dem quirligen Wochenmarkt und ihren Versuchen, ihre Mutter wiederzufinden, zum anderen erheitert man sich an ihren im Traum vorgenommenen Flugversuchen. Besonders amüsant hierbei sind die sprechenden Flügel. Elemente wie die auf dem Markt gestohlene Halskette tauchen in Sibels Träumen wieder auf, ebenso wie eine ältere Frau, die Müll sammelt und die Sibel im Traum nach Hause begleitet.

Die Geschichte ist ein gelungener Beweis dafür, wie man mit einem Buch Brücken schlagen kann. Für alle, die den Wochenmarkt in Istanbul nicht kennen und denen die türkische Kultur nicht vertraut ist, gibt es an mehreren Stellen interessante Erläuterungen in den Fußnoten. So erfährt man beispielsweise, was es mit dem Zuckerfest auf sich hat oder dass bis 1928 die vorherrschende osmanisch-türkische Sprache in arabischen statt lateinischen Buchstaben geschrieben wurde. Auch der Held von Sibel, Hezarfen Ahmet Celebi, ein Luftfahrtpionier, den es wirklich gegeben hat, darf in den Fußnoten nicht fehlen. Der hierzulande weitestgehend unbekannte Forscher macht neugierig und bietet sich hervorragend an, über das Buch hinaus im Unterricht thematisiert zu werden. Einzig was eine Pelerine ist, kann man nur anhand der Zeichnungen erahnen. Am Ende des Buches findet sich zudem eine Liste mit Aussprachebeispielen von türkischen Buchstaben. Obwohl die Autorin die Geschichte lockerleicht erzählt und sie von ihrer Fantasie getragen wird, spart sie nicht mit kritischen Tönen. Sie tabuisiert nicht das Vorhandensein von Müllsammlern, die es auch in deutschen Städten gibt, erklärt, wie es zu dieser Tätigkeit kommen kann, erwähnt einen jahrelangen Familienzwist zwischen Sibels Mutter und ihrer Großmutter und lässt ihre Ansichten zu den Geschlechterverhältnissen leicht durchscheinen.

Nicht alles in der Geschichte ist also heiter Sonnenschein, aber niemals wirkt es bedrückend oder aussichtslos, denn Müge Iplikçi hat ihren Charakteren einen wichtigen Pfand mit auf den Weg gegeben, den sie auch in ihrem Nachwort betont: Hoffnung. Mit der Wahl der Namen für die Zwillinge, Mehmet und Zora, der eine türkisch, der andere kurdisch, drückt sie ihren eigenen Wunsch nach einem friedlichen Zusammenleben beider Bevölkerungsgruppen aus. Wenn Spannung, Witz und Phantasie neben dem wohltuenden Schreibstil nicht schon genug wären, ist das Buch zudem reich bebildert. Illustrator Mustafa Delioglu schenkt dem Leser auf fast jeder Seite eine seiner herrlich schrägen, bunten Aquarellzeichnungen, die im Entfernten an Quentin Blake, den Originalillustrator der Roald Dahl Bücher, erinnern. Sibel, mit rot leuchtenden Haaren einen Mischung aus Pumuckl und der roten Zora, wird von Delioglu gekonnt in Szene gesetzt. Die von Baobab Books gewohnte optisch stimmige Buchgestaltung tragen ihr übriges dazu bei, dieses Buch gerne öfters in die Hand zu nehmen.

Fazit

Schon der erste Satz fasst perfekt zusammen, was man von diesem Buch und dieser Schriftstellerin erwarten darf: „Sibel war ein Mädchen mit blühender Fantasie“. Von Müge Iplikçi möchte man auf Deutsch mehr lesen, von Mustafa Delioglu auf dem hiesigen Buchmarkt mehr sehen. Ein Buch für alle, die das Träumen nicht verlernt haben und neugierig auf eine fremde Kultur sind!

Originaltitel
Uçan Sali
ISBN10
3905804468
ISBN13
9783905804461
Dt. Erstveröffentlichung
2013
Gebundene Ausgabe
88 Seiten
Empfohlenes Lesealter
Ab 8 Jahren

Eine Antwort zu
Der fliegende Dienstag

  1. Beatrix Petrikowski

    Ich habe die­ses Buch für den Schul­un­ter­richt emp­foh­len, zumal vie­le Migran­ten­kin­der aus der Tür­kei bei uns leben und das Buch so zur Ver­stän­di­gung bei­tra­gen kann.