Als die Häuser heimwärts schwebten…
Erzählbilder von Einar Turkowski
Zusammenfassung zu “Als die Häuser heimwärts schwebten…”
In diesem Buch erwarten den Betrachter zehn doppelseitige Bleistiftzeichnungen im DIN A 3 Format, die unterschiedliche Motive detailreich illustrieren. Mal sind es Mäuse, mal Häuser, mal seltsame Vögel oder Häuser die an Schnüren auf kleinen Inseln im Himmel schweben. Die Illustrationen sind mit je einem Gegensatzpaar untertitelt, das als Anregung dienen soll, wie z.B. beim „Mäusebild“ die Wörter „Einer“ und „Viele“. Dem Buch ist eine kurze Erläuterung zum Gebrauch vorangestellt, am Ende des Buchs befindet sich ein doppelseitiger Kommentar der Kinderphilosophin Dr. Kristina Calvert.
Persönliche Bewertung
Von Mauseloch 1a zu Mauseloch 1b kommt nur, wer hinter die Dinge schaut!
Das neueste Buch von Einar Turkowski ist ebenso hochwertig aufgemacht wie es seine Illustrationen sind. Es gibt einen dunkelblauen Leineneinband, und die Vor- und Nachsatzblätter sind in ebensolchem Blau gehalten. So wirken die zehn Zeichnungen gut behütet, fast so, als würde man ein kostbares Geschenk oder eine wertvolle Schatulle öffnen. Mit Einar Turkowski setzt der Mixtvision Verlag seine Reihe „Erzählbilder“ fort und charakterisiert damit zugleich die Art seiner Illustrationen. Die Faszination, die von den Bildern ausgeht, liegt abgesehen von ihrer technischen Brillanz in der Kombination der realistischen Zeichnung des Dargestellten mit dem Moment des Unmöglichen und Phantastischen.
Die gezeichneten Bilder stehen alle für sich und zeigen eine bestimmte Szene. Lediglich durch eine immer wieder in den Bildern auftauchende Maus sind sie miteinander formell verbunden. Was der Betrachter dann damit macht, liegt an ihm selber, an dem Maß seiner Phantasie und Tiefgründigkeit. Turkowski schreibt auf seiner Website selber über seine Bücher, dass er zum Weiterdenken anregen möchte. Er meint: „Meine Bilder sind Einladungen. Sie sollen entführen und entdecken lassen.“ Genau das bietet er mit dem vorliegenden Buch in seiner außergewöhnlichen und unverkennbaren Weise an – man muss es nur annehmen. Denn dieses Buch ist keine kurzweilige spaßige Unterhaltung, es erfordert Zeit und Ruhe und gibt einem ebendies um ein mehrfaches zurück. Weiß man um die Entstehungsdauer der einzelnen Bilder und des gesamten Buches, wird einem umso deutlicher, was man hier für einen Schatz vor sich hat. Für sein erstes Buch benötigte Turkowski drei Jahre und um die 400 Bleistiftminen, für das zweite zwei Jahre und weitere Minen. Sein Skizzenbuch füllen bis zu 150 Seiten alleine für ein Buchprojekt. Schaut man sich die einzelnen Bilder an, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus und sieht, was alles nur mit Hilfe eines Bleistifts des Härtegrades HB, eines speziallen Anspitzers, Radiergummis, Linealen und Papierwischern auf entsprechendem Zeichenpapier entstehen kann! Die schwarzen Flächen sind nicht einfach Druckerschwärze, sondern das Ergebnis eines begnadeten Bleistiftkünstlers.
Wendet man sich den inhaltlichen Aspekten des Gezeichneten zu, fällt auf, dass dem Leser auf jeder Doppelseite eine Maus wiederbegegnet, die ihn durch die Bilder begleitet. Auf einem Bild kann man sogar den Entstehungszeitpunkt der gezeichneten Maus finden (20.06.2012), die sich mit anderen Zeichnungen auf einer Häuserwand befindet. Vielleicht mag es Zufall sein, dass das erste Bild das erste ist, es bietet sich aber auch ein anderer Gedanke an. Denn auf diesem Bild gibt es acht Mäuse, die wie in einem Rennen jeder als erstes in einem Mauseloch in einer Mauer ankommen wollen, über dem steht „Alles Käse“. Daneben liest man eine Reklame auf der Mauer mit dem Hinweis auf täglichen Freikäse von 9:15 bis 09:30 Uhr für Mäuse ab 150g. Hinter dem Mauseloch wartet mit hungrigen Augen und vermeintlich offenem Mund schon die Katze auf ihre ersten „Gäste“. Gezeichnet ist es so, dass nur der menschliche Betrachter den Kopf mit den Augen der Katze sehen kann. Nur eine Maus gibt es, die abseits der anderen nicht zum Mauseloch, sondern um die Ecke der Mauer rennt… Und aus Sicht des Rezensenten begegnet einem nur deshalb die Maus in jedem Bild wieder – als Symbol für einen Menschen, der nicht dem Strom der Massen folgt. Die Maus aus Mauseloch 1a, welches noch vor dem Titelblatt gezeichnet ist, verschwindet nach aufregenden zehn Bildern auf der letzten Seite des Buchs in Mauseloch 1b und gibt dem Buch und seinen Geschichten einen Rahmen.
In einigen der Bilder lassen sich Themen wie „Zivilisationskritik“, „Konsumwahn“, „Technikwahn“ oder „Umweltzertörung“, finden, die zum Weiterdenken anregen. Neben den Gegensatzpaaren sind auch die Titel zu einigen Bildern, die zwar nicht im Buch enthalten sind, man aber auf der Website von Einar Turkowski findet („Himmelsleitern“, „Der Besucher“, „Halmhäuser“, „Alisar Wing“ und „Sturmhügel“) inspirierend, jedoch keinesfalls zwingend erforderlich zum Verständnis des Buchs. Das Nachwort von Dr. Kristina Calvert bettet das Buch nochmals in seinen philosophischen Rahmen ein und verdeutlicht verständlich, was das Buch mit dem „philosophischen Dreischritt“ zu tun hat und dass es sich deshalb so gut für das erste Philosophieren mit Kindern anbietet.
Fazit
Keinesfalls sollte man sich von der Altersangabe abschrecken lassen, dieses Buch auch als über Dreijähriger in die Hände zu nehmen! Für die meisten Dreijährigen kommt das Buch ohnehin selbst mit Begleitung von Älteren vermutlich noch zu früh. Älteren Kindergartenkindern, Grundschülern und allen anderen kann man dieses Buch aber anbieten. Gerade in Zeiten von Reizüberflutung und Schnellebigkeit ist es wohltuend, sich für dieses Buch Zeit nehmen zu müssen, anders funktioniert es nämlich nicht…
- ISBN10
- 3939435481
- ISBN13
- 9783939435488
- Dt. Erstveröffentlichung
- 2012
- Gebundene Ausgabe
- 32 Seiten
- Empfohlenes Lesealter
- Ab 3 Jahren